Von Gräben und Brücken zwischen Älteren und Jüngeren

Dieser Vortrag ist bisher unveröffentlicht. Prof. Dr. Uwe Böschemeyer hat ihn am 24.10.2012 im Bachsaal des Hamburger “Michel” gehalten. Ich gebe den Inhalt hier verkürzt wieder:

Viele lieben sich, viele mögen sich nicht. Viele wollen nichts voneinander wissen und andere wollen vieles voneinander wissen. Das war schon immer so zwischen Älteren und Jüngeren. Warum? Weil der große Fluss des Lebens Menschen zu verschiedenen Zelten aufnimmt und die Älteren und die Jüngeren ihr Leben zu verschiedenen Zeiten erfahren. Beide gewinnen von ihrer Zeit ein eigenes Bild und es bildet sich ihre eigene Sicht von den Dingen.

Wenn Ältere und Jüngere miteinander sprechen, dann sprechen sie zunächst von ihren eigenen Erfahrungen. Wenn Ältere und Jüngere sich verstehen wollen, dann müssen beide lernen, auch mit den Augen des anderen zu sehen. Wie das möglich ist, zeigt Uwe Böschemeyer in 6 Punkten:

  1. Sich bewusst machen, dass Generationen jeweils unterschiedliche Erfahrungen machen
  2. Die Andersartigkeit eines anderen als eine Grundgegebenheit des Lebens begreifen
  3. Was ältere Menschen wissen müssten, um mit den jüngeren besser leben zu können
    • Jüngere brauchen Vorbilder
    • Jüngere wollen erst genommen werden
    • Jüngere brauchen Freiheit experimentieren zu dürfen
    • Jüngere brauchen Ermutigung zu einem selbstverantwortetem Leben
    • Jüngere wünschen sich Klarheit und Wahrhaftigkeit
    • Jüngere brauchen das Gefühl, dass ihr Recht auf eigenes Sein und Verhalten respektiert wird
  4. Was jüngere Menschen wissen müssten, um mit den älteren besser leben zu können
    • Ältere brauchen die Phantasie der Jüngeren für einen frischen Geist
    • Ältere brauchen die Phantasie der Jüngeren für ihre Sehnsucht nach Leben
    • Ältere brauchen Achtung vor der Kostbarkeit des Alter
    • Ältere brauchen das Gefühl so sein zu dürfen, wie sie sind
    • Ältere brauchen neue Ausdrucksmöglichkeiten für ihren Geist
  5. Was beide wissen sollten, die Jüngeren und die Älteren
    • Weil wir weniger miteinander leben entdecken wir zu wenig das Liebenswerte
    • Weil Leben ein Netzwerk ist, kommt es darauf an einander zuzuhören
    • Jede Zeit ist für sich gleich wertvoll
    • Es gibt Primärwerte, die in jedem Alter lebenswert sind damit wir besser miteinander auskommen
    • Unverzichtbar ist, dem anderen immer wieder zu verzeihen
  6. Worauf sehen wir primär, auf das Trennende oder das Verbindende? Was wäre, wenn wir den Frieden wählten?

Eine ältere Bearbeitung dieses Themas findet sich im Buch »Neu beginnen! Konkrete Hilfen in Wende- und Krisenzeiten«, SKV-Edition (Edition Lebenszeichen), Lahr (1996). Einige Gedanken daraus:

Der große Fluss des Lebens nimmt Menschen zu verschiedenen Zeiten auf, und zu verschiedenen Zeiten verlassen sie ihn wieder. Ältere und Jüngere erleben den Fluss zu ihrer eigenen Zeit. Beide gewinnen von ihm ein unterschiedliches Bild, und beide machen unterschiedliche Erfahrungen mit dem eigenen und dem großen Leben. Wenn sie einander verstehen wollen, müssen sie beide lernen, auch mit den Augen des anderen zu sehen.

Vieles, was die Jüngeren an den Älteren und die Älteren an den Jüngeren stört, ist Ausdruck des Mangels an Verstehen, dass notwendigerweise eine Generation anders als jene sein muss, weil nur die Verschiedenartigkeit der Generationen lebendige Geschichte bewirkt.

Wenn die Zeit nahen wird, in der wir wieder aussteigen müssen aus dem Fluss, der durch das große Leben fließt, dann werden wir uns vielleicht noch einmal zurücksehnen in die Zeit der frühen Jahre. Dann werden wir vielleicht noch einmal die Bilder dieser Zeit betrachten und darüber staunen, wer wir einmal waren, äußerlich und innerlich. Dann werden wir uns selbst noch immer ein wenig fremd sein und doch zugleich vertraut. Wir Menschen sind uns selbst gegenüber immer beides: unbekannt und doch vertraut. Wie sollte das anderen gegenüber, vor allem aber zwischen Älteren und Jüngeren, anders sein?

Die Brücke jedoch zwischen dem Unbekannten und dem Vertrauten in mir, die Brücke auch zwischen Menschen und Menschen ist das Wohlwollen. Für dieses Wohlwollen gibt es für alle einen guten Grund: Er liegt in der Sehnsucht aller danach, von anderen verstanden zu werden – und selber andere zu verstehen.


Den vollständigen Text finden Sie im Buch »Neu beginnen! Konkrete Hilfen in Wende- und Krisenzeiten«, SKV-Edition (Edition Lebenszeichen), Lahr (1996). 

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