Ablauf einer Wertimagination

Wertimaginationen sind eingebettet in den Verlauf einer sich fortsetzenden Gesprächsreihe. Sie werden durch eine kurze Entspannungsphase von 2-3 Minuten eingeleitet und dauern zwischen 20 und 30 Minuten. Während dieser Zeit hält der Imaginand die Augen geschlossen und nimmt die aufsteigenden Bilder seines Unbewussten bei vollem Bewusstsein wahr. Wertimaginationen sind keine Hypnose!

Wertimaginationen finden im Sitzen statt, denn neben dem Schauen und Wahrnehmen der inneren Bilder geht es immer auch um eine aktive  Stellungnahme zu den Bildern und ggf. um eine gezielte Einflussnahme auf die Bilder. Auch die Abgrenzung gegenüber möglichen destruktiven oder aggressiven Kräften ist so besser möglich.

Jede Wertimagination hat ein Vor- und ein Nachgespräch.
Die Phasen im Einzelnen:

  1. Das Vorgespräch / Zielorientierung
  2. Die Entspannungsphase / Leerung des Kopfes
  3. Der Einstieg in die innere Welt
  4. Auf dem Weg zum Ziel
  5. Am Ziel ankommen
  6. Das Nachgespräch

1. Das Vorgespräch / Zielorientierung

Im Vorgespräch wird das Imaginationsziel gemeinsam mit dem Imaginanden abgestimmt, ebenso das Einstiegsbild, das ihm den Einstieg in die inneren Bilder erleichtern soll und die Wertgestalt, die ihn während seiner Wanderung begleiten soll.

Praxis

Das Imaginationsziel richtet sich

  • nach dem Thema weshalb der Imaginand kommt,
  • nach dem aktuellen Stand des Gesprächsverlaufes,
  • nach der vorausgegangenen Imaginationen oder
  • nach tagesaktuellen Ereignissen oder Träumen.

Die Wertgestalt, die den Imaginanden führen soll, kann

  • eine ihm bekannte Gestalt sein, zu der er guten Kontakt hat,
  • oder eine neue Gestalt, die für das Imaginationsziel besonders geeignet ist.

Sofern eine neue Wertgestalt eingeführt wird, kann die bereits bekannte Gestalt zu der neuen Gestalt führen. Wenn mehrere Gestalten den Imaginanden auf seiner Wanderung begleiten, muss eine Gestalt die Führung übernehmen.

2. Die Entspannungsphase / Leerung des Kopfes

Damit wir Zugang zu den Quellen im Unbewussten haben, wechseln wir durch eine kurze Entspannungsphase vom WACH-Bewusstsein (BETA-Zustand) in den SCHLUMMER-Zustand (ALPHA-Zustand), einem ersten Entspannungszustand vor dem Einschlafen. Unsere Gehirnfrequenz verlangsamt sich dabei von mehr als 14 Hz auf einen Bereich zwischen 7 und 14 Hz.

Bewusstseinszustände

Wir kommen so aus der uns vertrauten objektiven Realität in einen Zustand, der auch die subjektive Realität beinhaltet. D.h. unser gewohnt logisch-linear-rationales Denken (eine Fähigkeit unserer linken Gehirnhälfte) wird ergänzt um ein intuitiv-kreativ-ganzheitliches Wahrnehmen unserer inneren Wirklichkeit (eine Fähigkeit unserer rechten Gehirnhälfte).

Im SCHLUMMER-Zustand sind beide Gehirnhälften miteinander synchronisiert, so dass unbewusste emotionale Inhalte und Kräfte (mit der rechten Gehirnhälfte) ins Bewusstsein gelangen und wir gleichzeitig (mit der linken Gehirnhälfte) Stellung zu ihnen beziehen können, d.h. ja oder nein zu ihnen sagen können, sie annehmen oder ablehnen können, je nachdem, ob uns lebensbejahend-stärkende Kräfte begegnen oder lebensverneinend-schwächende Kräfte.

In der Wertimaginationen findet ein ständiger Fluss von unbewussten Inhalten in die Bewusstheit statt. Sie bringen etwas in unser Bewusstsein, was vorher nicht da war. Sie erweitern dadurch den Horizont unseres Denkens und dessen, was wir beeinflussen können. Das ist besonders wichtig, wenn es um destruktive Kräfte geht, die uns solange negativ beeinflussen, bis sie uns bewusst werden und wir sie verändern können.

3. Der Einstieg in die innere Welt

Einstiegsbilder erleichtern den Zugang zur inneren Welt insbesondere bei noch unerfahrenen Imaginanden. Nach der kurzen Entspannungsphase wird der Imaginand vom Begleiter aufgefordert das im Vorgespräch verabredete Einstiegsbild kommen zu lassen, sich mit ihm vertraut zu machen, um dann die Wertgestalten zu rufen, die ihn führen und begleiten sollen. Als Einstiegsbilder haben sich bewährt:

  • Der Stand am Meer
  • Der innere Garten oder die innere Landschaft
  • Der Eingang zu einer Höhle
  • Die Treppe, die in die Tiefe führt
  • Der Brunnen

Sandstrand

Der Strand am Meer ist ein besonders günstiges Einstiegsbild. Das weite Meer symbolisiert das Unbewusste. Findet sich der Imaginand am Strand ein, ist er nicht weit vom Unbewussten entfernt. Schaut er auf das Meer und nimmt wahr, wie es beschaffen ist (stürmisch, bewegt oder ruhig), richtet er seine Aufmerksamkeit auf das Unbewusste. Wird der Imaginand nun vom Begleiter aufgefordert auf den Horizont des Meeres zu schauen oder dorthin wartend zu schauen, von wo er glaubt die Wertgestalt zu erahnen, wird sie sich aus dieser Richtung zeigen. Vielleicht sieht er sie noch weit von sich entfernt, unklar oder vernebelt, das ist nicht weiter schlimm. Der Begleiter wird dem Imaginanden dann  helfen, dass sie sich ihm noch deutlicher zeigt.

Steht der Imaginand vor der Wertgestalt, fordert der Begleiter ihn auf das Symbol auf sich wirken zu lassen und bei den Füßen beginnend aufwärts schauend wahrzunehmen.

Von den Füßen beginnend aufwärts schauen (aus Virginia Satir, Selbstwert und Kommunikation)

Der Begleiter wird den Imaginanden nach der Ausstrahlung der Gestalt fragen und nach dem, was sie in ihm auslöst. Vorausgesetzt, dass es die intendierte (gewollte) Gestalt ist, die eine gute Ausstrahlung hat, wird der Begleiter den Imaginanden weiter auffordern ihr seine inneren Hände zu reichen und ihr in die Augen zu schauen. Auf diese Weise verdichtet der Imaginand seinen Kontakt zum Symbol und nimmt Aspekte seiner innere Welt intensiv wahr. Auf diese Weise erschließt sich ihm die innere Welt und die Kraft, die in ihm steckt. Der Begleiter kann den Imaginanden an dieser Stelle gern daran erinnern, dass die Gestalt, die er vor sich wahrnimmt nicht von irgend woher, sondern aus ihm selbst kommt und ein Symbol seiner eigenen Kraft ist, die er bis dahin vielleicht noch nicht von sich kennt.

4. Auf dem Weg zum Ziel

Hat der Imaginand sich ausreichend mit der Wertgestalt vertraut gemacht, kann er die Gestalt bitten, ihn an das verabredete Ziel zu führen. Die Gestalt wird sich darauf hin in Bewegung setzen und ihn über längere (bewusstseinsferne) oder kürzere (bewusstseinsnahe) Wege, über Höhen und Tiefen oder auch durch längere dunkle Abschnitte (unbewusstes) an sein Ziel führen. Sie wird zügig gehen, sofern der Imaginand neugierig auf das Ziel ist, sie wird trödeln oder gar stehen bleiben, wenn er nur halbherzig dem verabredeten Ziel zugestimmt hat.

Around the Games: Day 6 - 2014 Winter Olympic Games

Auf dem Weg zum Ziel können dem Imaginanden dunkle Gestalten oder verdorrte Landschaften begegnen (verletztes Leben). Dann ist wichtig, dass er so dicht wie möglich bei seiner Wertgestalt bleibt, um nicht unnötig von den destruktiven Kräften angezogen zu werden. Der Begleiter wird bemüht sein, den Imaginanden am Störungsfeld vorbei zu führen. Gelingt es, wird die Wanderung zum Ziel fortgesetzt. Gelingt es nicht, weil die destruktiven Kräfte den Imaginanden festhalten, wird er sich zunächst mit den Wiederständen auseinander setzen müssen (meist in einer separaten Imagination), bevor die Wanderung zum Ziel fortgesetzt werden kann.

5. Am Ziel ankommen

Irgendwann bleibt die Wertgestalt stehen und signalisiert, dass das Ziel erreicht ist. Dann geht es wieder darum zu schauen, wie das Ziel (ein Ort oder eine Landschaft) aussieht, was es ausstrahlt und wie es auf den Imaginanden wirkt. Auch hier kann der Begleiter den Imaginanden wieder darauf aufmerksam machen, dass er nicht irgendetwas vor sich sieht und fühlt, sondern Aspekte und Kräfte seiner selbst, denen er sich gerade bewusst wird.

Skye-Sligachan-Ebene

Wertimaginationen haben das geistig Unbewussten zum Ziel. Das Unbewusste kommuniziert mit uns durch innere Bilder. In ihnen zeigen sich die Kräfte, die im Unbewussten vorhanden sind. In der Regel sind es keine Bilder aus der realen Welt, die wir in den Wertimaginationen sehen, sondern verdichtete Symbole, durch die sich das assoziativ verknüpfende Unbewusste ausspricht. Wir sehen Personen, Orte oder Landschaften vor unserem inneren Auge, die uns zunächst fremd erscheinen. Wenden wir uns ihnen zu, so kommen wir mit den Kräften in Berührung, die diese Bilder transportieren. In der Regel sind es Kräfte, die uns bisher nicht bewusst waren oder solche, von denen wir bisher zu wenig Gebrauch gemacht haben. Es sind werthaltige Kräfte, die für unser Leben mehr als nur wertvoll sind. Es sind Kräfte, die für unser Leben existenziell wichtig sind. Kräfte die wir brauchen, wenn wir gesund bleiben wollen und unser Leben gelingen soll.

Beglückend ist, dass die guten Kräfte nicht von irgendwoher kommen, sondern dass sie aus uns selbst kommen. Wir selbst verfügen über sie, sie sind in uns angelegt, sie sind uns mit dem Leben gegeben und stehen uns zur Verfügung, sofern wir uns auf sie ausrichten und in Kontakt mit ihnen kommen. Mit ihnen können wir unser Leben gestalten, sie geben uns eine innere Distanz zu den einengenden psychischen Befindlichkeiten und Abhängigkeiten, so dass wir über sie reflektieren können und uns zu der einen oder anderen Werthaltung vom Geiste her entscheiden können, die für uns am meisten Sinn macht.

6. Das Nachgespräch

Das Nachgespräch dient dem Verstehen der erlebten inneren Bilder und dem Transfer ihrer Botschaften ins konkrete Leben.

Beratung

Fragen des Begleiters können die Aufmerksamkeit des Imaginanden auf die zentrale Botschaft der Imagination lenken, z.B. diese:

  • Um was geht es?
  • Was ist der Hauptpunkt?
  • Was ist das Wichtigste in der Imagination?
  • Was war das Zentrum der Imagination?
  • Was war das Hauptgefühl?
  • Was empfanden sie als neu?
  • Gibt es Situationen, die sie kennen, wenn sie die Imagination auf ihr Leben legen?

… (Fortsetzung folgt)

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