Die Monster des Alltags

C. Moser - Monster des Alltags

1. Die Arroganz gibt sich als Manager aus und verspricht ihrem Opfer, es mit Kompetenz, Professionalität und hervorragenden Beziehungen zum Star zu machen. In Wahrheit ist sie jedoch nur eine schäbige kleine Prahlerei mit gefälschten Visitenkarten, die mittelmäßige Aufschneider zu großspurigen Maulhelden aufplustert.

Arroganz


2. Die Befindlichkeit untersucht in einer groß angelegten Langzeitstudie die Launen ihres Opfers und registriert akribisch die kleinsten Verstimmungen. Das Ergebnis steht jedoch schon von Vornherein fest: Dem Opfer geht es schlecht. So schlecht, dass es das vollste Verständnis seiner Mitmenschen und jeden nur erdenklichen Trost verdient hat.

Bequemlichkeit


3. Die Eifersucht ist ein Intrigant, ein Aufwiegler und Krawallmacher. Sie erfindet schreckliche Geschichten von Betrug und Ausbeutung und treibt ihr Opfer damit zu völlig unverhältnismäßigen Aktionen und Reaktionen: Die Eifersucht liebt die Eskalation.

Eifersucht


4. Die Empörung findet immer etwas, worüber sie sich künstlich aufregen kann. »Das müssen wir uns nicht bieten lassen,« verkündet sie dann im Brustton der Überzeugung und bringt den Volkszorn zum Kochen. Kollektives Meckern, Schimpfen und Jammern schafft schließlich das schöne Gemeinschaftsgefühl.

Empörung


5. Die Erwartung ist ein kleinlicher Bürokrat. Sie hat genaue Vorstellungen, wie die Dinge sein sollen, und ist zutiefst beleidigt, wenn irgendetwas nur ein bisschen anders verläuft. Das Problem ist, dass niemand ihre Regeln kennt – sie beschwert sich immer erst hinterher.

Erwartung


6. Das Gejammer predigt über eigenes und fremdes Siechtum.

Gejammer


7. Die Gewohnheit liebt die behagliche Eintönigkeit einer gut eingespielten Routine. Treten plötzlich Veränderungen ein, stöhnt und jammert sie eine Weile – so lange, bis die neuen Gegebenheiten wieder vertraut erscheinen und man es gar nicht mehr anders haben möchte.

Gewohnheit


8. Die Gier ist haltlos, egoistisch und nicht im geringsten wählerisch. Solange sie Nachschub bekommt, wird sie niemals aufhören. Und dass es zu viel war, merkst das Opfer erst später, wenn es unter den Nachwirkungen zu leiden hat. Doch da liegt die Gier schon zufrieden schlafend in der Ecke – und träumt von neuen Exzessen.

Gier


9. Der Groll tröstet Menschen, die sich schlecht behandelt fühlen und verbellt die bösen Übeltäter. Zu tiefst gerührt von so viel Verständnis hegt und pflegt man seinen Groll, auch wenn der ursprüngliche Anlass der Verstimmung eigentlich längst erledigt hat.

Groll


10. Die Grübelei gibt ihrem Opfer das Gefühl, aktiv mit der Lösung eines Problems beschäftigt zu sein, doch in Wahrheit handelt es sich dabei nur um endlose Wiederholungen ein und desselben Gedankens. Die Grübelei hat nämlich kein Interesse, irgendetwas zu ändern – dann wäre sie ja arbeitslos.

Grübelei


11. Die Herrschsucht setzt ihren Willen durch. Widerstand beflügelt ihren Kampfgeist nur und sich gegen stichhaltige Argumente durchzusetzen, ist eine umso größerr Beweis ihrer Störke. Ein derart rigoroser Absolutismus führt natürlich des Öfteren zu Fehlentscheidungen mit fatalen Folgen, doch darüber sieht die Herrsch-sucht souverän hinweg. Objektivität ist schließlich etwas für Schwächlinge.

Herrschsucht


12. Die Hilflosigkeit ist ein sehr praktisch veranlagtes Monster. Statt die frustrierende Erfahrung zu riskieren, nach mühsamen und zeitraubenden Versuchen an den einfachsten Aufgaben zu scheitern, delegiert sie diese lieber an gute Freunde. Meist genügt schon ein jammervoller Blick: »Du weißt doch, dass ich so was nicht kann!«

Hilflosigkeit 


13. Die Hypochondrie ist eine fromme Glaubensgemeinschaft. Ihre Adepten suchen Erleuchtung im Ausloten sämtlicher denkbarer Gebrechen, denn auch der kleinste Schmerz könnte sich ja als die große, läuternde Krankheit entpuppen und ihnen universelles Mitleid bescheren.

Hypochondrie


14. Die Hysterie inziniert aus den banalsten Anlässen große Opern, in denen ihr Opfer als Heldentenor brillieren kann. Wenn sich der tragische Held dann angesichts eines verlegten Wohnungsschlüssels gleich in Visionen drohender Obdachlosigkeit hineinsteigert, kann das die Nerven seines Publikums leicht überstrapazieren. Zugaben werden von der Hysterie kaum je gefordert.

Hysterie


15. Die Ignoranz steuert unbeirrt ihren Kurs durch die tosenden Stürme des Ozeans, den wir Leben nennen. Obwohl sie stets nach der selben alten Karte ihres eigenen Binnenmeeres navigiert, glaubt die Ignoranz auch in fremden Gebieten immer zu wissen, wo es lang geht – von der Oberfläche aus betrachtet sieht ohnehin jedes Gewässer gleich aus.

Ignoranz


16. Die innere Leere starrt ihrem Opfer hypnotisch in die Augen und vermittelt ihm das Gefühl, sie sei unglaublich wichtig, tiefsinnig und geheimnisvoll – in Wahrheit ist sie jedoch vollkommen hohl. Dennoch sorgt sie mit großer Effektivität dafür, dass es auch beim Opfer drinnen schön leer bleibt.

Innere Leere


17. Der Jähzorn verliert aus den nichtigsten Anlässen die Beherrschung: Dann brüllt und tobt er zügellos herum und kann dabei durchaus gewalttätig werden. Dabei wäre der Jähzorn so gerne ganz anders. Er gelobt ständig Besserung, aber seine Natur setzt sich immer wieder durch. Und dann ist ihm auch völlig egal, wen die Attacke trifft.

Jähzorn


18. Der leise Zweifel schleicht sich ein, flüstert seinem Opfer verstörende Fragen ins Ohr und erstickt so noch den zartesten Anflug von Optimismus im Keim. Das einzig wirksame Mittel gegen die zersetzende Kraft des Zweifels wäre, ihn einfach zu ignorieren. Doch das ist nicht so einfach. Was, wenn er recht hätte?

Leiser Zweifel


19. Die Melancholie ist ein feinsinniger Poet. Sie beschützt ihr Opfer vor der profanen Wirklichkeit und tröstet es mit der bittersüßen Gewissheit, dass erst die Vergänglichkeit dem Dasein Würde verleiht. So wandelt man, den Blick von zarter Tristesse umwölkt, einher und fühlt sich zwar nicht gerade froh, aber doch – erhoben. Veredelt. Besonders.

Melancholie


20. Der Neid würde gern in der selben Liga spielen wie der Ehrgeiz, doch er leitet nur den Fanclub. Mit Adleraugen beobachtet er all jene, die es zu etwas gebracht haben und führt Statistiken über ihre Triumphe. Dabei lauert er aber nur auf den entscheidenden Fehler, der den Erfolgsmenschen ins Unglück stürzt. Denn wenn der Neid schon nicht gewinnen kann, dann soll es we-nigstens allen so mies gehen wie ihm.

Neid


21. Die Nörgelei vertraut nur ihrem eigenen Urteil – und das ist grundsätzlich negativ. Gutes Zureden trifft bei ihr auf taube Ohren und wohlmeinende Ratschläge steigern ihren Unmut nur. An einer Verbesserung der von ihr so lauthals beklagten Missstände ist die Nörgelei nämlich nicht im Geringsten interessiert.

Nörgelei


22. Die Panik macht aus jeder noch so kleinen Herausforderung eine ultimative Entscheidung über Sein oder Nichtsein. Mit schriller Stimme stellt sie sämtliche Fähigkeiten ihres Opfers infrage und löscht jegliches Wissen aus seinem Gedächtnis – bis zum finalen Blackout.

Panik


23. Der Perfektionismus ist ein leidenschaftlicher Schöngeist auf der Suche nach absoluter Vollkommenheit. Dabei verliert er sich oft in endloser Verfeinerung, bis schließlich zwar die kleinste Kleinigkeit stimmt, dem Ganzen aber jede Harmonie und Funktionalität fehlt: Eine neue Herausforderung für den Perfektionismus – und weitere unbezahlte Überstunden für sein Opfer.

Perfektionismus


24. Die Rachsucht ist dem Stolz treu ergeben. Er gibt der dummen, kurz-sichtigen Rachsucht eine Daseinsberechtigung und sie folgt ihm dafür wie ein braves Schoßhündchen. Aber wehe, wenn der Stolz gekränkt wird: Dann startet die Rachsucht einen gnadenlosen Vernichtungsfeldzug.

Rachsucht


25. Das Schuldgefühl Wenn alles andere scheitert, bleibt dem Klammern und seiner Bande eine letzte Geheimwaffe: Das Schuldgefühl nagt so lange an seinem Opfer, bis sämtliche Selbstschutz-mechanismen versagen und man sich gegen die Zudringlichkeiten der Bemutterung oder der Niedlichkeit nicht mehr wehren kann.

Schuldgefühl


26. Die Schwermut wirkt auf viele Menschen unglaublich romantisch. Doch Vorsicht: Sie braucht keine großen Worte, um ihr Opfer von der absoluten Sinnlosigkeit des Lebens des Dasein zu überzeugen.

Schwermut


27. Der Sturheit ist ein ausgekochter Zucker. Stets zu einer wette aufgelegt, treibt sie ihr Opfer in die unsinnigsten Konkurrenzsituationen. Menschen, die sich in diesen Wettkämpfen durch besondere Hartnäckigkeit bewähren, werden als Champions hoch gehandelt und entsprechend oft eingesetzt.

Struheit


28. Die Trägheit ist das Hausmütterchen unter den Monstern. Wer sich ihr hingibt, wird aufs zärtlichste umsorgt – doch ihre Umarmung ist eng, klebrig wie Kaugummi und führt zu akuten Lähmungserscheinungen an Körper und Willenskraft.

Trägheit


29. Die Trödelei wird oft verkannt. Dabei bedarf es eines hohen Grades an spiritueller Reife, um all die scheinbar so dringlichen Dinge einfach mal liegen zu lassen. Nur eines kann ihre philosophische Ruhe stören: Ignoranten, die nicht zwischen höherer Trödelei und gemeiner Faulheit unterscheiden können.

Trödelei


30. Der Trotz ist eine der hartnäckigsten Formen der Unzufreidenheit. Er ist nicht nur absolut unbelehrbar, sondern obendrein noch ausgesprochen extrovertiert: Der Trotz will seine schlechte Laune unbedingt mit jedermann teilen.

Trotz


31. Die Umstände bieten ihre Hilfe an. Diese beflissenen kleinen Dienstleistungs-Monster übernehmen bereit-willig die Verantwortung für jeden Ausrutscher und geben ein wasserdichtes Alibi. Und sie verlangen nicht einmal was dafür: So ist man gerne ein Opfer der Umstände.

Umstände


32. Die Ungeduld hat das Ziel zum Ziel. Auf den Weg kann sie gerne verzichten. Um möglichst schnell dort hin zu kommen, gibt sie ihrem Opfer erbarmungslos die Sporen oder verteilt Fleißbildchen für besonders rasch erfüllte Aufgaben. Ihr Opfer ist derart erpicht auf dies kleinen Belohnungen, dass es zur Not auch mal schummelt und sich vom Pfusch helfen lässt.

Ungeduld


33. Der Völlerei weiß, dass Qualität erst durch Quantität zu voller Geltung kommt. So nutzt sie jede Gelegenheit, um Geschmackserlebnisse zu sammeln und Glücksgefühle zu horten, bevor wieder die Enthaltsamkeit regiert.

Völlerei


34. Die Wehleidigkeit praktiziert die meditative Suche nach dem wahren Schmerz.

Wehleidigkeit


35. Das Wenn und Aber sind die lautstarken Handlanger des leisen Zweifels. Sich mit ihnen auf eine Diskussion einzulassen, ist sinnlos: Gemeinsam zerpflücken sie jedes Argument und verdrehen es gekonnt ins Gegenteil.

Wenn und Aber


36. Die Willkür beherrscht wie kein Zweiter das große Einmaleins der psychologischen Kriegsführung. Sie macht ihre Gegner gefügig, indem sie diese systematisch zerrüttet. Je unberechenbarer sie dabei ihre Waffen einsetzt, desto verheerender ist die Wirkung.

Willkür


 

Werte für unser Leben