Die Landkarte unserer Seele benennt 9 typologisch gegebene Spannungsfelder, in dem wir Menschen leben. Sie weist auf die Möglichkeiten und Gefährdungen der einzelnen Typen hin, derer wir uns bewusst werden können, um unser Leben besser gestalten zu können. Sie hilft uns bei der Unterscheidung zwischen sinnlosen (die Lebenskraft schwächenden) und sinnstiftenden (die Lebenskraft stärkenden) Einstellungen/Haltungen/Antworten auf konkrete Lebenssituationen, so dass wir innerlich wachsen und reifen können. Sie gibt uns eine Orientierung, wie wir uns im Dschungel der vielen Reize, Gedanken und Empfindungen zurecht finden können, um einen Weg aus der hektischen und spannungsgeladenen empfundenen Selbstferne zu einem ausgeglicheneren und kraftvolle empfundenen Ruhen in uns selbst zu finden. Die Landkarte unserer Seele benennt
➜ den Typus (O. Ichazo),
➜ seine Verführung (O. Ichazo),
➜ seine pathologische Gefährdung (C. Naranjo) und
➜ sein geistiges Potenzial zur Wertorientierung (U. Böschemeyer).
Freiheit und Verantwortung
Wir haben die Freiheit und Verantwortung unser Leben zu gestalten. Von der Art unserer Einstellung zu den wechselnden Lebenssituationen hängt primär unser Lebensgefühl ab. Wir können Einfluss darauf nehmen, ob unser Leben eher schwach und kränklich oder stark und gesund verläuft. Denn nicht die Lebenssituationen selbst sind es, die bestimmen, wie unser Leben verläuft, sondern unser inneren Haltungen und Bewertungen in den Situationen sind es, die bestimmen, wie unser Leben verläuft. Es ist unsere Entscheidung, wie wir leben und was wir innerlich erleben.
Wir können den Weg der Verführung gehen, der uns auf Dauer bis ins pathologische Erscheinungsbild unseres Typus führen kann oder wir können bestimmte Werte leben, denen wir in unserer Tiefe begegnen. Der erste Weg scheint zunächst der einfachere zu sein, weil sich die Verführungen von ganz alleine in unserem Bewusstsein einstellen. Ihnen zu folgen ist keine hohe Lebenskunst. Der Weg der Wertorientierung erscheint zunächst schwieriger, weil die Werthaltungen sich nicht von allein in unser Bewusstsein drängen. In der Regel müssen wir uns erst in die Werte eindecken, einfühlen und einleben, die wir leben wollen, ehe ihr Energiefeld unser Leben bestimmen kann. Darin liegt die größere Lebenskunst und Weisheit.
Den Weg der Verführung gehen
Man könnte sagen, dass wir den Verführungen als passiv Handelnde unterworfen sind. Ihr Antrieb kommt aus einem defizitären Erleben unseres Strebens nach Autonomie, Anerkennung oder Sicherheit. Ein geistig träger Mensch, der sich von seiner Verführung passiv leiten lässt, verliert den Kontakt zu sich selbst und zu anderen Menschen. Sein Denken, Fühlen und Handeln wird destruktiv und erschwert nicht nur sein eigenes Leben sondern auch das Zusammenleben mit anderen Menschen. Fehlender Kontakt mit uns selbst schwächt unsere Lebenskraft und führt auf Dauer in eine psychische und/oder körperliche Krankheit hinein. Unser Leben kann dann die pathologischen Züge unseres Typus annehmen.
- Der Zorn von Typ 1 kann in die Zwangsstörung führen
- Der Stolz von Typ 2 kann in die histrionische Störung führen
- Die Eitelkeit von Typ 3 kann in die „Marktanpassung“ führen
- Der Neid von Typ 4 kann in die Depression führen
- Der Geiz von Typ 5 kann in die schizoide Störung führen
- Die Angst von Typ 6 kann in die paranoide Störung führen
- Die Völlerei von Typ 7 kann in die nazistische Störung führen
- Die Wollust von Typ 8 kann in die soziopathische Störung führen
- Die Trägheit von Typ 9 kann in die symbolische Störung führen.
Den Weg der Wertorientierung gehen
Für Aristoteles deckt sich selbständiges Handeln mit tugendhaftem oder wertorientiertem Verhalten. Ein geistig gesunder Mensch, der nach seinen Werten sucht, stärkt den Kontakt zu sich selbst und zu anderen Menschen. Sein Denken, Fühlen und Handeln wird konstruktiv und erleichtert nicht nur sein eigenes Leben sondern auch das Zusammenleben mit anderen Menschen. Ein guter Kontakt mit sich selbst stärkt unsere Lebenskraft und mündet auf Dauer in einem körperlich und psychisch gesünderen, glücklicheren und sinnerfüllteren Leben.
Philosophie oder Lebenserfahrung?
Es geht hier nicht um unterhaltsame Philosophie, sondern um konkrete Lebenserfahrung. Menschen, die auf Dauer passiv handelnd ihrer Verführung folgen, weil sie es nicht besser wissen oder weil sie es nicht anders wollen, trifft es irgendwann einmal hart im Leben, manchmal sogar sehr hart, nämlich dann, wenn sie – zunächst kaum merklich, dann aber mehr und mehr – zu leiden beginnen und schließlich – ebenso unbemerkt – in einen Strudel geraten, der nach unten zieht, aus dem es ohne professionelle Hilfe oft kein Entrinnen mehr gibt. Die Falle der Verführung schnappt zu, wenn
- sich das Lebensgefühl zunehmend verdunkelt,
- das Leben dauerhaft zur Last wird,
- die Angst das Leben zu regieren beginnt, weil sie kommt und geht, wie sie will oder gar nicht mehr verschwinden will,
- sich Leben gefährlich anfühlt,
- unser Leben nicht mehr lebenswert erscheint,
- die Tage subjektiv immer länger werden und die Zeit nicht mehr vergehen will,
- sich ein wattiges Lebensgefühl einstellt,
- sich das Leben wie hinter einer Glaswand anfühlt,
- das Leben draußen noch sichtbar, aber nicht mehr fühlbar ist,
- die emotionale Verbindung zu anderen Menschen verloren geht,
- die eigene emotionale Verbindung verloren geht und sich eine unerträgliche innere Gefühllosigkeit einstellt,
- wir uns ständig kraftlos und ausgelaugt fühlen,
- Unruhe aufkommt und wir nicht mehr schlafen können,
- wir inneren Druck spüren,
- sich unser Herz kalt, unruhig oder hart anfühlt,
- wir unter organisch nicht lokalisierbaren unangenehmen Empfindungen oder Schmerzen leiden,
- Suchtmittel wie Alkohol, Nikotin, Konsum, Sex, PC-Spiele usw. unser Leben zentral bestimmen.
Ich könnte viele weitere Phänomene von Depression, Burnout, Sucht, Zwängen, Ängsten, Psychosomatik und anderen psychischen Problemfeldern nennen. Alles was die eigene Selbstferne begünstgt, ist nicht nur eine harmlose Vernachlässigung unseres Lebens, sondern eine schwerwiegende Missachtung der Grundgesetze unseres Lebens. Sie führt zu oft unerträglich empfundenen Zuständen, denen einige Menschen nur durch den selbst herbeigeführten Tod glauben entrinnen zu können. Würden wir verstehen, was unsere Seele uns mit diesen Empfindungen sagen will, kämen wir sehr viel schneller zu einem besseren Leben.
Die Sprache unserer Seele verstehen
Ich habe lange darüber nachgedacht, ob die genannten Folgen der Selbstferne nur Ausdruck einer unvollkommenen, misslungenen oder gar strafenden Schöpfung sind oder noch eine andere Botschaft für uns enthalten. Ich bin zu der Überzeugung gekommen, dass viel Elend nicht sein müsste, wenn wir die Sprache unserer Seele besser verstehen würden. Wenn wir verstehen würden, was die Seele auszudrücken versucht, wenn sie uns diese Botschaften sendet. Mir wurde deutlich, dass die Sprache unserer Seele direkt und klar ist. Sie drückt immer das aus, was gerade gegenwärtig ist. Ist es Mangel, drückt sie Mangel aus, ist es Sättigung, drückt sie Sättigung aus. Mir wurde weiter deutlich, dass in der Klarheit dieser Sprache auch eine Grenze liegt. Indem unsere Seele nur das auszudrücken und uns bewusst zu machen vermag, was gerade gegenwärtig ist, kann sie nicht gleichzeitig auch das zum Ausdruck bringen, was ihr konkret fehlt. An dieser Stelle ist unser Lebensweisheit gefragt, die das Mittel zur Beseitigung des Mangels kennt. Wenn wir Hunger haben, wissen wir sehr genau, was zu tun ist. Wir suchen nach Nahrung. Was aber ist die passende Nahrung bei Depression, Burnout, Ängste, Zwänge, Süchte oder Psychosomatik?
Unser geistiges Potenzial leben
In meiner Arbeit hat sich gezeigt, dass es die fehlende Werthaltungen sind, die den signalisierten Mangel beheben können. Werte gibt es viele, mehrere Hundert. Die können und sollen wir nicht alle gleichzeitig leben. Die Landkarte unserer Seele nennt 9 zentrale Werte, die den einzelnen Typen zugeordnet sind. Danach ist jeder Typus nicht nur durch ein zentrales Laster in seiner Lebensführung gefährdet, sondern hegt gleichzeitig auch einen unbewussten Wunsch, der darin besteht, einen ganz bestimmten Wert aus tiefster Sehnsucht heraus einmal leben zu können, der ihm Erleichterung verschafft und Lebensenergie schenkt. Die Typen 1-9 sehnen sich nach folgenden Werten:
- Geduld statt Zorn
- Liebe statt Stolz
- Wahrhaftigkeit statt Eitelkeit
- Echtheit statt Neid
- Offenheit statt Geiz
- Mut statt Angst
- Nüchternheit statt Völlerei
- Güte statt Wollust
- Verantwortung statt Trägheit