»Was passiert bei der Geburt?«

Nachdem ich zunächst die Frage gestellt hatte „Was ist vor dem Leben?“ wollte ich dieses Mal wissen „Was passiert bei der Geburt?“ Damit meine ich nicht lebensgeschichtlich „Was habe ich persönlich bei der Geburt erlebt?“ Meine Frage schließt vielmehr an die vorherige Imagination an. Es ist die Frage, wie aus einer formlos und unstrukturierten Urmasse strukturierte Materie werden kann. Für diesen feinstofflichen Vorgang wählte ich wieder den Geistvollen zur Führung. Dieses Mal sah ich sehr viel realitätsnahe Bilder, die mir das Prinzip eines Vorgangs näher bringen sollen, den mein Verstand nicht begreifen kann und dessen Kenntnis für mich letztlich auch nicht bestimmt ist.

Die Ankunft im Hafen

Hafen

Ich stehe an einem Hafenbecken. Eine Mole führt ins Meer hinaus und schützt das Hafenbecken vor Wellen. Es ist eine helle Mondnacht. Kleine Schaumkämme tanzen auf den Wellen. Der Geistvolle ist sofort da. Er wirkt freundlich und ich fühle mich gleich vertraut mit ihm. Er freut sich, dass ich ihn gerufen habe und dass er mir wieder etwas zeigen kann. „Da hast Du Dir ja ein spannendes Thema ausgesucht“, meint er zu mir, „der Hafen ist die Ankunft“. Er gibt mir das Gefühl am richtigen Ort für das Thema zu stehen. Er nimmt mich an die Hand und wir schweben gemeinsam davon.

Die Verpackung symbolisiert unseren Körper

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Das Bild wechselt und ich sehe eine Packstation. Fertig verschnürte Pakete werden von einem Mann mit einer Marke versehen und bekommen einen Stempel als letztes Prüfsiegel. Er macht die Tätigkeit mit großer Freude. Es ist die letzte Station, bevor die Pakete auf die große Reise gehen. Äußerlich unterscheiden sie sich kaum. Es sieht wie eine Serienabfertigung aus. Alle Pakete sind mit braunem Packpapier umhüllt. Bei genauerer Betrachtung erkenne ich, dass sie sich in Größe und Form leicht voneinander unterscheiden. Ich frage, was das für Pakete sind und welchen Inhalt sie haben.

Der Geistvolle übernimmt die Führung. Ich lasse meinen Blick schweifen und erkenne, dass wir uns in einer Fertigungshalle befinden. Vom Ende her schauen wir den Fertigungsprozess entlang. Ich sehe viele Stationen, an denen Menschen arbeiten. Alle sind emsig, es herrscht ein gutes Arbeitsklima. Alle fühlen sich wohl und sind hochgradig motiviert. Alle freuen sich, dass sie zu dem fertigen „Paket“ etwas beitragen können. Ich bin enttäuscht, weil die Bilder so banal erscheinen und realitätsnah sind. Ich hatte etwas anderes erwartet.

Die Flamme aktiviert das Leben

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Wir gehen weiter. Es gibt noch einen anderen Trakt. Da kommt man nicht so leicht rein. Es ist wie ein Hochsicherheitstrakt. Es muss Sauberkeit herrschen. Hier ist es dunkler. Ein Experiment ist aufgebaut. Ich sehe eine spitze blaue Flamme. Ein Prozess findet statt – nicht sichtbar, nur wahrnehmbar. Von links kommt etwas Unsichtbares, wird durch die Flamme geführt und kommt rechts verändert heraus.

Der Geistvolle sagt zu mir, dass das, was ich hier sehe nicht dem wahren Vorgang entspricht. Er zeigt mir vertraute Bilder, die mir eine Ahnung davon geben können, was bei der Geburt passiert. Ich denke an einen fließenden Prozess. Rechts und links ist das Gleiche, aber in einer anderen Qualität. Das vor der Flamme ist der Materie ferner, das rechts von der Flamme ist der Materie näher. Ist damit aber immer noch keine Materie geworden, zumindest sehe ich nichts stoffliches. Ich denke, dass die Flamme eine Art Aktivierung vollzieht, so als wenn dem Ganzen ein Lebensfunke eingehaucht oder übergeben wird. Ich frage mich erneut, was der Inhalt der Päckchen sein könnte. Ich weiß es nicht.

Der Geistvolle vermittelt mir, dass es nicht darum geht, den gesamten Fertigungsprozess zu verstehen. Es geht um das Prinzip.

Die scheinbare Leere ist unsere Quelle

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Wir gehen im Fertigungsprozess noch einen Schritt weiter zurück. Wir sind jetzt im „Wareneingang“, dort, wo die „Rohstoffe“ ankommen. Da blicke ich in die große Weite des Weltalls. Und obwohl nur leerer Raum für mich zu sehen ist, sagt der Geistvolle zu mir: „Das alles steht zur Verfügung.“ Plötzlich habe ich das Gefühl, dass da tatsächlich wahnsinnig viel ist, denn ich erahne den Inhalt der scheinbaren Leere. Jetzt habe sogar das Gefühl einer großen Dichte. Hier wird aus dem „Vollen“ geschöpft. Aus dieser Dichte kommt das, was zur Flamme wandert. Die Quelle ist unerschöpflich. Mir wird deutlich, dass immer wieder neu geschöpft werden kann – endlos.

Unser Wesen wird geschöpft

Eintopf

Nun gehen wir in einen mittleren Bereich, der sich hinter der Flamme und vor der Packstation befindet. Es ist eine Art Großküche. Ich sehe eine vorbereitete Suppe, einen Eintopf. Mir wird der Prozess nun deutlich. Was vor mir wie ein Eintopf aussieht, ist der aus der „Fülle“ des Alls geschöpfte Urstoff, der in der Flamme aktiviert wurde, zwischenzeitlich zu diesem Eintopf „kondensiert“ ist und an dieser Stelle nun in kleine Töpfe umgefüllt wird, die dann auf die Päckchen aufgeteilt werden. Jemand sitzt vor dem großen Suppentopf und schöpft und verteilt die „Suppe“ in keine Einzeltröpfe. Auch er macht es mit großer Sorgfalt und großer Freude. Ich begreife weiter: In die Töpfe geht das, was wir unser Wesen nennen. Alle Wesen bestehen aus der gleichen „Suppe“. Beim Schöpfen gelangt aber immer ein etwas anderes Verhältnis von Möhren, Bohnen, Kartoffeln, Zwiebeln, Fleisch usw. in die kleinen Töpfe. Wenn jedes Töpfchen eine gestrichene Kelle Eintopf bekommt, ist immer eine andere Mischung drin. Die Möhren, Bohnen, Zwiebeln usw. stehen für die Werte, die unser Wesen ausmachen. Grundwerte haben wir alle, aber immer in einem anderen Verhältnis. Deshalb ist jedes Wesen einmalig und einzigartig. Ein einleuchtendes Bild, was der Geistvolle mir hier vorführt.

Wir gehen eine Station weiter in Richtung Packstation. Hier geht es um das Einpacken der Töpfchen. Das Wesen bekommt hier eine Verpackung, unseren leiblichen Körper. Mehrere Menschen sind hier beschäftig. Sie nehmen Kartons aus einem hinter ihnen befindlichen Lager. In jeden Karton kommt ein Töpfchen. Eine gewisse Willkür scheint mir bei der Auswahl der Kartons zu walten. Zumindest kann ich nicht erkennen, ob  die Arbeiter bestimmte Kartons für bestimmte Töpfchen aussuchen. Die Töpfchen sind in Größe und Form alle gleich, die Kartons variieren etwas. Das muss wohl die unterschiedlichen Größen und Formen der Menschen symbolisieren.

Zurück im Hafen

Der Prozess wird in der Packstation abgeschlossen, wo die Päckchen verschnürt und mit Marke und Stempel versehen werden. Sie gehen dann auf die große Reise und landen im Hafen, wo ich zu Beginn der Imagination gestanden habe. Der Geistvolle betont noch einmal, dass es nicht so abläuft, wie ich es soeben gesehen habe. Er hat mir nur das Prinzip durch Bilder erklären wollen, die mir vertraut sind. Weil ich früher in einem herstellenden Betrieb gearbeitet hatte, zeigte er mir die Fertigungsstraße, weil ich früher im chemischen Labor gearbeitet hatte, zeigte er mir die kathalytische Flamme.

Er bringt mich zurück zum Hafen. „Auch diese Stelle ist symbolisch zu verstehen“, sagt er. Der Hafen ist der Ort, an dem wir ankommen. Der Hafen steht für die Geburt. Die Mole trennt das große Wasser vom kleinen Becken, wo wir angeschwemmt oder ausgeschwemmt werden. Trotz der realen Bilder bin ich jetzt tief beeindruckt. Was oberflächlich einem einfachen Fertigungsprozess gleicht, ist in Wirklichkeit sehr viel größer und offensichtlich nicht fassbar für uns. Ich verabschiede mich vom Geistvollen für heute und bedanke mich für die Ahnung, die er mir von der Größe dieses Prozesses vermittelt hat.

(Ich möchte nochmals anmerken, dass die Frage »Was passiert bei der Geburt?» auch im biologischen Zusammenhang verstanden werden kann. Also in dem Sinne „Was habe ich persönlich bei der Geburt erlebt?“ Weil diese Frage auf die Erhellung der Lebensgeschichte abzielt, wären  in diesem Fall die Wahrheitsfinder besser zur Führung geeignet. Sie würden uns möglicherweise an die Quelle unseres Lebensflusses führen und in die Mitte der Quelle schauen lassen. Weil das Unbewusste weiß, auf welche Frage wir uns innerlich ausrichten, bekommen wir immer die „passenden“ Antworten.)


Nachgedanken

Der Prozess ist mir nun deutlich geworden: Der Urstoff wird aus der Dichte des Weltalls geschöpft, in irgendeiner Weise „aktiviert“ und bildet so den Rohstoff für die einmalige und einzigartige Wesensnatur des Menschen. Das Wesen bekommt eine körperliche Hülle, die sich in Größe und Form unterscheidet. Mit großer Sorgfalt und von großer Freude begleitet, entsteht so unser Leben. Die erste Station unserer Reise ist die Ankunft im irdischen Hafen, der uns vom großen Meer trennt. Wo dieser Prozess wohl stattfindet. Im Bauch der Mutter?

Reagenzgläser 2

Nach dieser Imagination bin ich eher fasziniert, als aufgeklärt. Es geht mir so wie damals, als ich noch ein kleiner Junge war. Schon damals hatte ich gestaunt, wenn mein Vater mich ins chemische Labor mitnahm und ich dort einige Zeit mit dem Laboranten, einem sehr netten und aus meiner damaligen Sicht ältere Herren, verbringen konnte. Der hatte  immer ein aufregendes Experiment für mich vorbereitet. Besonders faszinierten mich seine Reagenzgläser, die nebeneinander standen und alle klare Flüssigkeiten enthielten. Wenn man sie in der richtigen Reihenfolge ineinander groß, veränderte sich jedes mal etwas. Ich weiß nicht mehr wie viele Reagenzgläser es waren. Fünf oder sechs waren es bestimmt. Es wurde rot, dann trübe, dann milchig, dann flockte etwas aus und zum Schluß war wieder alles klar wie Wasser, so als wäre nie etwas passiert. Verstehen konnte ich das damals nicht. Erst als ich Chemie studierte, konnte ich nachvollziehen, was er da gemacht hatte. Doch wie schade, manchmal finde ich es viel schöner, wenn wir nicht alles verstehen. Das lässt den Dingen ihren ganz eigenen Zauber, an dem wir uns immer wieder neu erfreuen können. Nicht nur als Kind, sondern auch als Erwachsene sollten wir das immer mal wieder machen.

Werte für unser Leben