»Wir im Spannungsfeld zwischen Geist und Trieb«

http://www.reflektion.info/4500_130706_1_lgb-neu_2_1000.jpgEin hoch spannendes Thema, wenn ich die inneren Bilder auf mich wirken lasse. Das Ergebnis: Unser Trieb ist unser Antreiber – Unser Geist ist unsere Einstellung dazu.

Zunächst bin ich auf der Triebseite: Ich sehe ein Spielwarengeschäft voller Eisenbahnen und Lokomotiven (Spieltrieb, Antrieb). Ich betrete den Laden, stehe vor einer besonders großen Lokomotive und erkenne die feine Verarbeitng. Ein Rad greift zuverlässig ins andere. Ich spüre körperliche Erleichterung. Um den Antrieb muss ich mich nicht kümmern. Er funktioniert auch ohne mein Zutun. Darauf kann ich mich verlassen. Dann schaue ich mich um und sehe viele verschiedene Modelle von Dampflokomotiven. Und obwohl sie so verschieden sind (wie auch die Triebe), liegt ihnen allen das gleiche Funktionsprinzip (der Antrieb) zugrunde.

Dann bin ich auf der Geistseite: Ich befinde mich im Weltall. Auch hier bemerke ich eine Maschine. Auch hier greifen Zahnräder ineinander. Es ist eine übergeordnete kosmische Maschine im Hintergrund, die permanent und kontinuierlich arbeitet. Ein Gefühl des Aufgehobenseins stellt sich ein. Und auch hier ein Gefühl von: Darauf kann ich mich verlassen.

Nun lasse ich den Verbündeten kommen. Er erfreut sich an dem, was ich gesehen habe. Ich frage ihn: „Was meinst Du dazu?“ Er nimmt mich an die Hand und wir gehen ins Eisenbahngeschäft (Triebseite). Ich soll mir eine Lokomotive aussuchen. Mit Stolz halte ich sie in der Hand. Dann gibt er mir eine gläserne Kugel, die den Kosmos symbolisiert (Geistseite). Ich soll die Eisenbahn hineinstellen. Im gleichen Moment geht das Licht in der Lokomotive an und sie steht unter Dampf. Ich begreife: Der Geist haucht dem Trieb das Leben ein. Geist belebt den Trieb.

Ich frage den Verbündeten, wie ich das Erlebte auf mein Leben übertragen kann. Da lacht er und sagt: Schau mit den Augen des Geistes. Zunächst begreife ich nicht, was er mir damit vermitteln will. Ich finde mich an meinem Schreibtisch wieder und spüre erneut die Entlastung und Gewissheit von vorhin. Jetzt verstehe ich: Die Triebe funktionieren von allein, sie sorgen für die Grundfunktionen in meinem Leben. Darum muss ich mich nicht kümmern. Das macht mich frei für ein Schauen vom Geiste her. Mit Neugierde, Interesse, Wachheit, Aufmerksamkeit oder einer anderen geistigen Haltung kann ich in die Welt schauen und wahrnehmen, wie die einzelnen Lokomotiven (die Antriebe der Menschen) miteinander agieren. Das Bild wechselt. Ich sehe eine märchenhafte Landschaft, wie man sie zur Weihnachtszeit in den Schaufenstern findet. Da leuchten Lampen, da bewegen sich Figuren auf der Eisbahn, ein Karussell dreht sich, es fahren Eisenbahnen hin und her und eine Seilbahn fährt den Berg hinauf. Es ist eine lebendige und friedliche Stimmung. Dem Ganzen liegt ein guter Zauber inne. Alles hat seinen Platz und alles funktioniert. Ich fühle mich wie ein reich beschenktes Kind.


Nachgedanken

So „sinnvoll“ habe ich unsere Triebe noch nie gesehen oder verstanden. Einen wirklichen Gegenpol zum Geist erkenne ich darin nicht.  Zumindest nicht so, wie ich es erwartet hatte.  Aus der Sicht des Unbewussten sind Triebe keineswegs primitive und lästige Überbleibsel einer tierischen Herkunft, die es einzugrenzen oder sogar „auszurotten“ gilt. Den inneren Bildern zu Folge ergänzen sich Geist und Trieb. Sie arbeiten zusammen. Das Spannungsfeld entsteht oder spannend wird es durch die Art und Weise, wie wir von unserem Antrieb Gebrauch machen. In unreflektierter Weise als einfacher Reflex, der aus unserem Reptiliengehirn kommt (dieses kennt Flucht, Angriff oder Erstarrung) oder in reflektierter Weise als Vorgang eines komplexen Entscheidungsprozesses, der mit unserem Neokortex zu tun hat (dieser findet Sinn durch Wertorientierung).

Triebe bewegen uns und halten uns in Bewegung, sie machen uns lebendig und halten uns am Leben. Angriff, Flucht und Verteidigung sind einerseits bewährte Überlebensstrategien, die wir im Tierreich vorfinden, sie sind andererseits auch die Grundmuster für unseren Lebensantrieb. Das Enneagramm spricht davon, dass eines der drei Grundmuster als „Grundbewegter“ in uns angelegt ist und wir lernen müssen, auch von den anderen beiden Mustern Gebrauch zu machen. Weil Triebe im Hintergrund für den notwendigen Antrieb sorgen, können wir uns voll und ganz auf unsere geistigen Fähigkeiten der Reflexion und der bewussten Entscheidung ausrichten.

Geistige Kraft ist in allem, nicht nur in dem, was lebt. Was uns gegenüber unbelebter und anderer belebter Natur möglicherweise auszeichnet, ist die Bewusstheit über diese Kraft. Die bringt es mit sich, dass wir nicht nur von der Geisteskraft angetrieben werden (Geist gibt Licht und Dampf in der Lokomotive), sondern dass wir darüber hinaus auch darüber reflektieren können, wie wir unseren Grundantrieb (Angriff, Flucht oder Erstarrung) sinnvoll einsetzen wollen, damit wir unsere Ziele erreichen können.

Es heißt: Freiheit ist der Raum zwischen Reiz und Reaktion, der uns zukommt, so dass wir immer auch anders können, als es unser Grundantrieb es vorsieht. Wer von seinen bewussten geistigen Fähigkeiten Gebrauch macht, erkennt, dass es nicht immer sinnvoll ist, unreflektiert dem vertrauten Lieblingstrieb zu folgen. Wenn wir immer nur angreifen, fliehen oder erstarrten, werden wir ein zielorientiertes und sinnvolles Leben niemals erreichen können. Entwickelt ist der Mensch, der es versteht, seinen Grundantrieb in eine Richtung zu lenken, die ihm „sinnvoll“ erscheint.  Weil Werte  Richtlinien für gelingendes und sinnvolles Leben sind, ist wertorientiertes Leben imm er auch sinnvolles Leben. Wenn wir sinnvoll leben, weil wir von unserem geistigen Reflexionsvermögen Gebrauch machen, erstrahlt die Welt in einem neunen Glanz. Mit den Augen des Geistes geschaut, leben wir in einer wundervollen Welt. Ihr wohnt ein guter Zauber inne, sie ist voller Frieden, jeder und jedes hat seinen Platz und alles funktioniert Hand in Hand, so zuverlässig wie die Räder einer Lokomotive. Darauf können wir uns verlassen, darauf können wir bauen.

Einerseits eine wunderbare Zusage, die uns das Unbewusste macht und gleichzeitig erkenne ich darin auch eine Aufforderung an jeden Menschen, die Welt mit seiner geistigen Fähigkeit der Reflexion und Wertorientierung zu bereichern und zu befrieden. Mich persönlich regt die Imagination an, meine Einstellung zum Trieb nochmals zu reflektieren und zu revidieren, d.h. anstelle einer Konkurrenz darin eine zuarbeitende Kraft zu erkennen, die Freiräume für unsere geistigen Möglichkeiten schafft. Ich habe meine Nachgedanken aus diesem Grunde so ausführlich geschrieben.

In meinen Aufzeichnungen zu dieser Imagination finde ich ferner folgenden Eintrag: Eine der schönsten Imaginationen, die ich je erlebt habe. Während der gesamten Imagination hatte ich das Gefühl von kindlicher Weihnacht, ein Gefühl von Unbeschwertheit, Glück, Dankbarkeit und beschenkt sein. Das Gefühl erfüllte mich einige Tage.

Werte für unser Leben