»Zum Ort der tiefen inneren Selbstverbundenheit«

Diese Imagination zeigt, dass es in uns einen körperlich oder organisch nicht festzumachenden Ort oder Raum gibt, der uns zentriert, der uns zur Ruhe kommen lässt und gleichzeitig auch Orientierung und Impulse für unser Leben gibt. Unser Leben funktioniert besser, wenn wir mit diesem Raum verbunden sind oder aus ihm heraus auf die Welt blicken. Er verändert den Anschein der Welt. Sie erscheint uns freundlicher und wärmer, liebenswerter und lebenswerter. Wir spüren mehr inneren Halt und fühlen uns geschützt und geborgen. Die äußere Welt kann uns weniger anhaben, denn an diesem Ort gibt es keine Angst vor dem Leben, unser Leben wird nicht in Frage gestellt und wir wissen, was wir wollen.

Wir können uns diesen Ort als Energiequelle vorstellen. Sie führt uns durchs Leben und sie gibt uns Sicherheit, wenn wir mit ihr in Verbindung stehen. Ihre Präsenz wird für uns fühlbar, wenn wir nach ihr suchen und unsere Aufmerksamkeit auf sie lenken. Sie offenbart sich unserem Bewusstsein und wir können uns um so mehr mit ihr verbinden, je sicherer wir uns ihrer Existenz werden. Besonders dann, wenn wir uns ängstigen oder unsicher fühlen, wenn wir an uns zweifeln oder innerlich unruhig sind, ist es eine gute Gelegenheit nach dieser Quelle zu suchen und sie aufzusuchen. Der Kontakt zu dieser Quelle ist nicht »machbar«, er geschieht, wenn wir am Ball bleiben und nicht aufgeben ihn zu suchen (dies ist ein allgemein gültiges Erfolgskonzept).

Weil dieser Ort nicht organisch greifbar ist, ist er schwer in Worte zu fassen. Vielleicht kann man sagen, dass es unser Selbst ist, unser Wesen oder unser »subjektiver Geist«, wie Frankl es nannte. Das sind alles abstrakte Worte, mit denen sicherlich jeder etwas anderes verbindet oder gar nicht weiß, was damit gemeint ist. Vielleicht können die Bilder der folgenden Wertimagination dieses verdeutlichen.

Der innere Verbündete wartet schon

Wenn es um Fragen der inneren Zuwendung oder Verbundenheit geht, empfiehlt sich eine Wanderung mit dem Verbündeten. Er kam sofort. Vor mir stand ein entspannter, natürlich wirkender junger, blonder Mann mit sportlicher Figur. Aus früheren Wertimaginationen war er mir schon vertraut und ich fühlte mich gleich gut bei ihm aufgehoben. Er wartete barfuß am Strand auf mich. Seine Füße waren von den auslaufenden Wellen des Meeres umspült. Auch ich fand mich barfuß im flachen Wasser. Wir standen dicht gegenüber. Das seichte Spiel der Wellen tat mir gut. Auch seine Ausstrahlung tat mir gut. In mir wurde es weiter. Nun konnte ich tief durchatmen und die Meeresluft spüren. Ich reichte ihm die Hände und hatte das Gefühl, dass er sich nicht nur über meine Anwesenheit freute. Er fand es sehr wichtig, dass ich nach dem inneren Ort der Selbstverbundenheit fragte, denn er wusste, dass ich den Kontakt zu mir selbst verloren hatte.

Er führt mich ins Meer

http://blog.reiseworldtv.de/great-barrier-reef/

Er nahm mich fest an seine Hand und wir gingen ein Stück ins Meer hinein. Mir wurde mulmig. Ich wusste zwar, dass man in der Imagination auch unter Wasser atmen kann, dennoch wirkte das Wasser dieses Mal sehr bedrohlich auf mich. Ein Stück unter Wasser blieb der Verbündete stehen. Auf meine Frage, ob wir am Ziel angekommen sind, antwortete er, dass wir genau an der Stelle angekommen sind, wo ich den Zugang zu meiner verlorenen Selbstverbundenheit finden kann. Ich schaute mich um. Wir standen auf hellem Sand, das Sonnenlicht schien bis auf dem Meeresboden. Das Wasser war trübe, einige abgestorbene oder ausgerissene Algen trieben durch das Wasser. Fische oder andere Meeresbewohner waren nicht zu sehen.

Ich fühlte mich nicht wohl und hatte das Gefühl hier nicht existieren zu können. Ich suchte engeren Kontakt zum Verbündeten und reichte ihm beide Hände. So konnte ich mich etwas entspannen. „Das Leben geht weiter. Lass dich von dem scheinbar lebensbedrohlichen Umfeld nicht irritieren und halte die Verbindung zu mir“, sagte er. Das Gefühl der Bedrohtheit und Haltlosigkeit, das ich zeitweise auch in meinem konkreten Leben immer wieder spürte, blieb weiterhin. Zur Verdichtung des Kontakts schaute ich dem Verbündeten in die Augen und konzentrierte mich ganz auf die Verbindung zu ihm. Nun merkte ich, dass mich die Verbindung zu ihm schützte, dass das Leben tatsächlich weiter gehen konnte, ohne dass mich die Umgebung zu verschlingen drohte.

Ein Versuch mich schauend auf die Umgebung einzulassen, riss mich aus der inneren Verbindung und ich spürte gleich wieder Angst und Panik (ohne Selbstverbundenheit erscheint die Umgebung feindlich und bedrohlich). Also konzentrierte ich mich erneut auf die Verbindung zum Verbündeten. Ich musste ein paar Mal tief durchatmen, um wieder zur Ruhe zu kommen. Das Durchatmen tat mir gut. Es lenkte die Aufmerksamkeit auf mich. Nun konnte ich mich selbst wahrnehmen.

Mein Blick nach innen

Das Bild änderte sich. Ich blickte nun nicht mehr auf den Verbündeten, sondern in mich hinein, in meinen Körper. Zu meinem Erstaunen sah ich keine Knochen, Muskeln oder Organe, sondern einen scheinbar leeren Raum, einen transparenten Hohlkörper der nach außen durch meine Körperoberfläche begrenzt war. Der Raum verbreitete eine ruhige und friedvolle Atmosphäre, so wie sie auch mein Verbündeter verbreitet. Gleichzeitig spürte ich eine stärkende Kraft und ein Wohlgefühl. Ich war erstaunt, in einem scheinbar leeren Raum diese Kraft zu spüren. Mir kann es so vor, als würde ein kleines, verborgenes Wesen in mir existiert, dass ruhig und friedlich wartet, um mit mir in Kontakt treten zu können. Mir war bisher nicht bewusst, dass es diesen Raum in mir gibt, den ich aufsuchen kann.

Der Blick aus meiner Mitte heraus

http://www.salon.com/2015/10/11/scientists_are_breeding_supercoral_to_combat_the_effects_of_climate_change_partner/

Die Kraft war so lange spürbar, wie ich meinen Fokus auf mein Innerstes lenkte. Beim erneuten Versuch die Umwelt wahrzunehmen, spürte ich wieder die Bedrohung und Panik. Also blieb ich bei meinem Blick nach innen. – Dann kam mir eine Idee, wie ich die Umwelt wahrnehmen kann ohne den inneren Schutzraum zu verlassen. Statt wie gewohnt mit meinen körperlichen Augen nach außen zu schauen, versuchte ich nun mit meinen inneren Augen nach außen zu schauen. Das war möglich, weil nicht nur der Innenraum klar und durchsichtig war, sondern auch seine äußere Begrenzung. Als wenn meine Augen einen Standortwechsel zur Körpermitte gemacht hätten, blickte ich nun aus meinem inneren Mitte heraus nach außen. Das ging sehr viel besser. Die Augen blieben im Zentrum meines Körpers geschützt. Weil sie mit der Umgebung nicht in unmittelbaren Kontakt standen, konnte die Umgebung ihnen nichts anhaben. Sie schauten aus dem geschützten Raum durch die durchsichtige Außenhülle hindurch in die Umgebung. Erstaunlicherweise sahen diese Augen etwas ganz anderes als die realen Augen. Mit den inneren Augen geschaut, sah das Wasser jetzt ganz klarer aus. Es wirkte gesund und sauerstoffreich. Es hatte eine schöne blaue Farbe und ich konnte Fische erkennen. Es waren farbige Fische, wie sie in der Südsee am Korallenriff zu finden sind. Friedliche Lebendigkeit teilt sich mir mit. Unglaublich, wie anders die Welt erscheinen kann, wenn man sie mit anderen Augen sieht.

Mit dem Gefühl der Selbstverbundenheit durchs Leben gehen

Mir war nicht aufgefallen, dass ich die Hände vom Verbündeten losgelassen hatte. Nun konnte ich mich im Schutz meines inneren Raums frei durch die Unterwasserwelt bewegen. Alles hatte sich gewandelt. Das Gefühl der Bedrohung war nicht mehr da. Stattdessen fühlte ich mich frei, war an der Umwelt interessiert und konnte mich an ihr erfreuen.

Zum Abschluss der Imagination vergegenwärtige ich mir noch einmal die gute Atomsphäre meines inneren Raums. Sie war mir inzwischen vertraut geworden. Hier fühlte ich mich sicher und geborgen, wie ein gebadetes Baby, das in sein frisch gemachtes Bettchen gelegt wird. Die Welt war für mich in Ordnung. Und in mir taucht eine Gewissheit auf: Nichts kann mich stören oder gar zerstören.

Noch einmal, weil es so wichtig ist

Es kommt darauf an, mit welchen Augen wir in die Welt schauen. Mit den »geschützten« Augen aus der Verbundenheit heraus, oder mit den »ungeschützten« Augen, wenn wir zu wenig auf uns fokussiert sind und die Verbindung zu uns verloren haben. Selbstverbundenheit schafft einen schützenden Raum, aus dem heraus die Welt  friedlicher erscheint, als wenn ich sie ungeschützt betrachten.

Werte für unser Leben