Vom der Fähigkeit zur Wandlung

Das Wort »Wandlung« ist dem materiell denkenden Menschen in der modernen Gesellschaft meist nur wenig vertraut, weil er sich der eigenen Möglichkeit zur Wandlung meist nur wenig bewusst ist. Auch ich wusste zunächst nicht recht, was mit dem Wort gemeint ist, bis ich »Wandlungen« auf meinen Reisen durch die inneren Bilder erleben und begreifen konnte.

Wandlung passiert im Auge des Betrachters

Alle materiell vertrauten Dinge haben zunächst etwas statisches, was ihre äußere Gestalt betrifft. Sie können sich nicht beliebig verändern. Eine Vase bleibt eine Vase. Aus einer Kuh kann kein Hase werden. Wandlung hat mit innerer Veränderung zu tun, mit der Sicht auf die Dinge, mit dem Licht, das auf die Dinge geworfen wird und in dem die Dinge erscheinen. Vielleicht ist Wandlung eine spezifisch menschliche Fähigkeit, die darin besteht, dass wir über unsere eigene Existenz reflektieren können und – bewusst oder unbewusst – verschiedene Haltungen zu uns selbst und zu der uns umgebenden Welt einnehmen können. Indem wir unterschiedliche Haltungen einnehmen und quasi wie durch eine andere Brille schauen, wandeln wir unser Sicht auf die Dinge und damit gleichzeitig auch den Wiederschein oder das Antlitz der Welt. Das beeinflusst unser Denken, Fühlen und Handeln maßgeblich.

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Wo stehe ich? – Was sehe ich? – Durch welche Brille (Haltung) sehe ich die Welt und was erkenne ich darin?
Wandlung hat mit der Wirkung zu tun, die die Dinge auf uns haben

Da wir einen Gegenstand niemals ganzheitlich in allen seinen Facetten oder aus allen Richtungen gleichzeitig erfassen können, nehmen wir seine Wirkung auch nie ganzheitlich wahr. Dass wir Dinge immer nur fragmentarisch erkennen können, ist keine persönliche Schwäche, sondern menschliche Realität. Ein Gegenstand wirkt unterschiedlich auf uns, sobald wir unsere Standpunkt äußerlich oder innerlich verändern und dadurch andere Seiten vom Gegenstand zu sehen bekommen.

Unseren äußeren Standpunkt können wir verändern, indem wir einen Schritt nach links oder rechts machen und dadurch Neues zu sehen bekommen, was vorher verdeckt war. Auf einer Sightseeing Tour gehen wir um die Kirche herum, um ein möglichst vollständiges Bild von ihr zu bekommen. Dieser Standpunktwechsel ist uns vertraut, davon machen wir im täglichen Leben Gebrauch. Weit weniger vertraut und weniger Gebrauch machen wir von der Möglichkeit, unseren inneren Standpunkt zu wechseln, der uns und die Welt wandelt.

Unseren inneren Standpunkt können wir dadurch verändern, dass wir unsere inneren Haltung verändern, aus der heraus wir auf den Gegenstand schauen. Fast so, als würden wir einen Scheinwerfer mit uns führen und dessen Lichtqualität verändern, können wir andere und neue Facetten vom Gegenstand erkennen. Wandlung erfährt ein Gegenstand in unseren Augen immer dann, wenn wir durch eine andere Haltung ein anderes Licht auf ihn werfen, wenn er uns in einem anderen Licht erscheint und wir ein anderes Bild von ihm bekommen. Von einem anderen Licht beschienen, strahlt er etwas anderes aus und er wirkt anders auf uns. Das hat Einfluss auf unser Denken, Fühlen und Handeln. Es macht einen Unterschied, ob wir ihn offen und neugierig oder verschlossen und misstrauisch anschauen. Im Fall der Offenheit zeigt sich die Welt mehr von ihrer leichten und weniger von ihrer schweren Seite. Das stimmt uns nicht nur leichter und fröhlicher, sondern auch versöhnlicher und friedvoller. Wir fühlen uns weniger klein und ausgeliefert. Die Angst vor Verletzung schwindet. Wir können uns und der Welt mehr vertrauen.

Alle inneren Haltungen, die sich der Welt und dem Leben zuwenden, die eine Verbindung mit der Welt schaffen und als Tugenden bezeichnet werden, wandeln das Antlitz der Welt in unserer Wahrnehmung zum Guten hin. Alle jene Haltungen, die sich von der Welt und dem Leben abwenden, die eine Trennung verursachen und als Laster bezeichnet werden, wandeln ihr Antlitz zum Schlechten hin. Keine Facette, die wir durch eine tugendhafte oder lasterhafte Haltung wahrnehmen, ist richtiger oder falscher als die andere. Beide Möglichkeiten sind gegeben. Der Gegenstand selbst ist neutral. Erst unsere subjektive Sichtweise gibt ihm eine Bedeutung und löst eine Wirkung in uns aus.

Wir betrügen uns also nicht, wenn wir nur die eine Seite sehen und die andere nicht. Die partielle Wahrnehmung der Dinge gehört zu den Grenzen unseres Menschsein dazu. Das müssen wir akzeptieren. Darin liegt nicht aber nur ein Mangel, sondern auch eine Stärke. Sowohl der Pessimist, als auch der Optimist erlebt nur eine Möglichkeit dieser Welt. Beide müssen mit dem leben, was sie sehen. Weil nur der Teil auf uns wirkt, den wir erkennen, haben wir im Wechsel der inneren Haltung ein kraftvolles Handwerkszeug, die Welt für uns bekömmlicher erschienen zu lassen. Offenheit ist eine Haltung, die Interesse am Vorhandenen weckt, die uns Kraft zum Leben gibt, die das Leben leichter und lebenswerter macht, weil sie mit der leichten Seite der Welt räsoniert. Zugleich gibt sie dem Schweren weniger Raum zur Entfaltung.

Unsere Lebensqualität wird maßgeblich davon beeinflusst, wie wir im Umgang mit den inneren Haltungen geübt sind und wie weit wir uns auf sie in konkreten Lebenssituationen einlassen können.

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