»Was ist vor dem Leben?«

Blick auf das Meer
Eine Frage an den Geistvollen.

Für Fragen, die das Weltganze betreffen, hat sich der Geistvolle als führende Wertgestalt bewährt. Ich erwarte ihn am Standstrand. Es ist Abendstimmung. Ich schaue auf das Meer in Richtung Horizont. Auf den Wellen sehe ich kleine helle Schaumkämme.  Der Geistvolle kommt vom Horizont her auf mich zu. Ich freue mich, dass er so schnell erscheint. Er wirkt hell, wie der angestrahlte Mond. Sein Gewand ist ebenso hell. Er trägt eine beigefarbene Kordel um die Hüfte. Seine Haare sind lang und weiß. Gesicht und Hände haben Falten, wie vom Leben gezeichnet. Dennoch hat er keinen materiellen, sondern ein geistig energetischen Körper. Weil er kein Erdbewohner ist, bleibt immer ein gewisser Abstand zu ihm, der keinesfalls störend ist. Er weiß sehr genau, wie es den Mensch geht.

Güte, Wärme, Zugewandtheit, Freude und Aufmerksamkeit mir gegenüber gehen von ihm aus. Sein Gesichtsausdruck ist vertrauensvoll, wärmend und gütig. Auch die Augen strahlen Güte und Wärme aus. Ich spüre Vertrautheit ihm gegenüber, eine Breitschaft und Offenheit für das, was er mir zeigen wird. Ich weiß, dass von ihm nur gutes und bereicherndes kommen kann. Was von ihm kommt, ist immer stimmig und passend für mich.

Er legt seine Hände auf meine. Sie erscheinen wie die Hände eines alten, weisen Mannes, die vom Leben gezeichnet sind. Und doch sind es ätherische Hände. Das finde ich spannend. Es macht mich neugierig. Seine Hände sind spürbar, aber nicht fühlbar. Es ist Kontakt mit reiner Energie. Ich kann nicht sagen, was diese Energie ausstrahlt oder was sie vermittelt. Alles was ich benennen könnte, wäre nur ein Abklatsch dieser ganzheitlichen Energie. Präsenz oder Anwesenheit wären wohl die treffendsten Worte. Die Energie ist einfach da. Mir ist, als halte ich etwas ganz kostbares in meinen Händen, einen großen Diamanten, faszinierend, glasklar, geschliffen. Also gar nicht alt und vom Leben gezeichnet, so wie es zu nächst den Anschein hatte.

Bis an meine Grenzen

Ich bitte den Geistvollen nun, dass er mir zeigen möge, was vor der Geburt ist. Er nimmt mich an die Hand und wir schweben zunächst über das Wasser, dann im Wasser. Es ist trübe. Ich greife erneut nach seiner Hand. Mir wird bewusst, dass ich aktiv seine Hand ergreifen muss, ich kann mich nicht passiv von ihm ziehen lassen, wenn ich im Kontakt mit ihm bleiben will. Ergreifen statt ziehen lassen, das macht für mich einen bedeutenden Unterschied. (Im Verlauf der Imagination wird sich noch zeigen, dass es immer um ein aktives Gestalten geht, denn Geist ist Gestaltungskraft.) Das Wasser wird klarer, aber auch dunkler. Ich sehe einige Lichtpunkte in der Ferne. Mir kommt der Weg sehr weit vor. Der Geistvolle macht schließlich auf einer hellgründigen Sandbank Halt. Von hier aus sehe ich in etwas Dunkles, unstrukturiertes hinein. Ich kann nicht sagen, ob ich in einen tiefen dunklen Abgrund schaue oder in ein Nichts. Ich schaue in das Dunkle und spüre darin eine Präsenz von großer Ausdehnung, etwas, das so groß ist, dass ich weder links noch rechts noch unten eine Grenze ausmachen kann. Alles Dunkle ist von dieser Präsenz erfüllt. – Etwas arbeitet darin, ruhig und beständig. Es arbeitet auf etwas hin, auf das werdende Leben, in einer völligen Ruhe, Gewissheit und Selbstverständlichkeit. Das Strukturlose ist die Qualität, die vor dem Leben ist. Ich stehe an der Grenze und schaue aus dem Leben „zurück“ auf das, was vor dem Leben ist, auf das Strukturlose, aus dem meine Leben und jedes andere Leben wird.

Im Strukturlosen steckt die Idee vom Leben, auf die es hinarbeitet. Vom Leben aus ist dieser Bereich nicht zugänglich, sagt mir der Geistvolle. Ich kann da nicht hinwandern. Ich kann nur vom äußersten Rand, vom Beginn meiner Schöpfung aus wahrnehmen und in den Bereich hineinspüren, von dem ich komme, aus dem ich entstanden bin. Es ist faszinierend für mich vor dieser Grenze zu stehen und zu spüren. So weit wie mir das Strukturlose jenseits der Sandbank erscheint, so tief ist es auch und damit letztlich  in seiner Ganzheit für mich auch nicht fassbar. – Noch während ich in das Strukturlose schaue, spüre ich, dass es auch in mir, in meiner Körpermitte ist. Wie ein Uhrwerk läuft es in mir. Erst das Leben, die Lebenserfahrung, das, was die Seele wahrnimmt, bringt Struktur, formt diese Strukturlosigkeit in mir.

Man kann das Strukturlose auch das Ungeformte nennen. Das ist keine Leere und auch nicht nur bloße Energie. Es ist ein Urstoff. Ein ganz bestimmter Stoff, der beschrieben werden kann und damit Struktur bekommt, der aber auch wieder Struktur verlieren kann. Wie ein Tonband, dass aufzeichnet und die Information so lange behält, bis die Information gelöscht oder durch eine andere Information überspielt wird. Der Urstoff wird also immer wieder neu durch Sinneseindrücke modelliert, er erstarrt nicht, er unterliegt einer dynamischen Veränderung. Er kann sich anpassen, hat aber auch ein gewisses Erinnerungsvermögen, eine gewisse Beständigkeit. Wie Knetmasse, die die Form behält, bis sie wieder neu geformt wird.

Das, was im Dunkel arbeitet, scheint unabhängig von diesem Stoff zu sein. Es ist etwas eigenes, eine eigene Qualität. Was sich zunächst wie eine Kugel in meiner Körpermitte anfühlte, ist jetzt im ganzen Körper spürbar, in jeder Zelle. Das Arbeitende ist in mir und der Urstoff ist in mir. Das Arbeitende scheint hinter dem Urstoff zu liegen oder in ihm enthalten zu sein, ohne in ihm aufzugehen. Im Bild der Erdkugel entspricht der Urstoff ihrem Mantel, das Arbeitende ihrem Kern. Das Arbeitende wird gebraucht, damit sich der Urstoff formen kann und auch wieder verformen kann. Das Arbeitende gibt dem Urstoff die Existenz (das er da ist) und die Qualität (das er sich formen und verformen kann).

Freiheit als Ausdruck geistiger Gestaltungskraft

Ich spüre Freiheit in mir. Aus dem, was sich geformt hat kann was anderes geformt werden. Nichts in mir ist festgelegt. Ich spüre keinen Widerstand gegenüber Veränderung. Veränderung findet immer dann statt, wenn ich gestaltend Einfluss nehme. Knetmasse hat im Vergleich zum Urstoff sehr viel mehr Widerstand gegenüber der Veränderung. Der Urstoff reagiert ganz sensibel. Wäre er nicht so sensibel, wäre er nicht das exakte Abbild meines Erlebens. Jedes Erleben hinterlässt eine Spur. Mit jedem Erleben strukturiert er sich neu an seiner Oberfläche. Seine Oberflächenstruktur ist der gegenwärtige Abdruck meiner Wahrnehmung. Das ältere, zurückliegend Wahrgenommene wandert in sein Inneres und bildet ein Archiv in Form konzentrischer Kreise, wie die Ringe einer Baumrinde. Die Ablage erfolgt nach Stichworten. Alle Eindrücke zum Stichwort „Rose“ liegen an einem Ort. Je älter, desto tiefer in der Struktur abgelegt. Ich bin erstaunt, das es sich mir in dieser Reihenfolge zeigt und nicht anders herum, dass mein Erleben am Anfang steht, welches sich 1:1 in der Struktur abbildet und dass keine feste Struktur am Anfang vorgegeben ist, die mein Erleben beeinflusst oder gar bestimmt. Darin erkenne ich das Element des Geistigen. Darin liegt die Gestaltungskraft unseres Geistes, der alles andere folgt. Geist ist Gestaltungsorgan, Geist gestaltet und formt, so wie es auch die neuere Erkenntnisse der Forschung zeigen. Nicht die Gene bestimmen, sondern unsere Wahrnehmung beeinflusst unsere Gene. Es ist also nicht egal was wir täglich denken und wie wir täglich denken, weil alles sein Abbild im Urstoff findet. Ich fühle mich aufgefordert gut zu denken, weil das eine bessere innere Struktur gibt, als das schlechte Denken.

Was am Lebensende übrig bleibt, ist die Struktur. Sie wird weitergegeben. Was jede einzelne Seele erlebt hat, geht in die große Weltenseele ein. Es ist die Struktur, die übrig bleibt, nach den Einflüssen der Welt.

Rückkehr

Ich schaue den Geistvollen an. Es wird Zeit zurückzukehren. Er signalisiert mir, dass mein Verstehen begrenzt ist. Ich muss auch nicht alles verstehen. Das Verstehen der großen Zusammenhänge ist ein Prozess. Ich kann mir die Fragen hierzu immer wieder einmal stellen. Der Geistvolle wird mich dabei gerne wieder begleiten. Es werden sich dann möglicherweise weitere Zusammenhänge zeigen. Letztlich, betont er jedoch, bleibt aber mein Leben, wie jedes andere Leben auch ein Geheimnis, das wir nicht lüften können. Er bringt mich zurück an den Sandstrand und ich verabschiede mich von ihm, für heute.


Die Akasha-Chronik (aus: http://www.seelenklang.biz)
Nachgespräch

Ich lese kaum esoterische Literatur. Dennoch habe ich die Erfahrung gemacht, dass in meinen Imaginationen zu den großen Zusammenhängen der Welt vieles ähnlich zu dem ist, was in der Esoterik bereits einen Namen hat. Die Kollegin, die mich in dieser Imagination geführt hatte, wies mich auf die Akasha-Chronik hin, die Vorstellung von einem übersinnlichen »Buch des Lebens«, das in immaterieller Form ein allumfassendes Weltgedächtnis enthält. Im deutschen Sprachraum wurde es vor allem durch Rudolph Steiner geläufig. Der Name war mir bislang nicht geläufig.

Werte für unser Leben