»Zur Quelle der Dankbarkeit«

Dankbarkeit ist eine gute Alternative zum täglichen Genörgel über das, was nicht ist oder über das, was nicht so ist, wie es sein sollte. Wenn ich mich befrage, wofür ich dankbar sein kann, verändere ich meine Wahrnehmung. Dann lenke ich meine Aufmerksamkeit auf das Gute und Gelungene im Leben. Dann fühle ich mich besser, weil ich mich in einer lebenswerten Welt erlebe. Dann kann ich leichter Ja zu der Welt sagen, in der ich lebe. Dann reagiere ich auch freundlicher auf die Welt und schenke der Welt eine bessere Stimmung. Das ist für mich der Weg in eine lebenswerte Welt. Deshalb zähle ich die Dankbarkeit zu meinen TOP 3 Werten. – Von den Dankbaren ließ ich mich zur Quelle der Dankbarkeit führen:

Erster Kontakt mit den Dankbaren

Akazie in Taita Hills

Ich sehe zwei junge, schlanke und dunkelhäutige Gestalten in einer Savannenlandschaft. Ein Mann und eine Frau. Beide haben ihre Handflächen zusammengelegt und verbeugen sich vor einem kleinen Kind, dass auf dem Boden in einem Heuhaufen liegt. Sie sind  für die Schöpfung seines Lebens dankbar. Es mögen Mutter und Vater sein, denn sie verneigen sich auch dankbar und achtend voreinander. Das gibt ihnen ein tiefes Gefühl von Verbundenheit.

Zunächst wende ich mich der Frau zu. Sie ist besonders schön, eine Wohltat für mein Auge.  Sie trägt ein farbenfrohes Kleid, das meine Aufmerksamkeit erweckt. Ihr Haar ist dunkelbraun mit einem Schimmer rot. Viele kleine Zöpfe sind zu einem großen Zopf zusammengebunden. Ihre großen mandelförmigen Augen strahlen Zuversicht und Wärme aus. Freude und Lebensglück teilen sich mit. Sie vertraut dem Leben. Mir kommt der Satz: Wer dankbar ist, sieht die Schätze der Welt und kann sie achten. Im Händekontakt spüre ich Ausgeglichenheit und Selbstsicherheit. Sie hat weder Angst noch Skepsis. Ich komme mir vor, wie bei der Ankunft in einem schönen Hotel im Urlaub. Ich bin vom Druck jeder Anforderung befreit. Ich kann entspannen und loslassen. Ich kann mich fallen lassen und einfach sein. Mir kommt der Satz: Wer dem Leben vertraut und sich darin gut aufgehoben fühlt, kann gut leben.

Der Kontakt zu ihm erweist sich etwas schwieriger. Deshalb beginne ich von den Füßen aufwärts zu schauen. Ich sehe sehr saubere Füße in Sandaletten. Sie leuchten im Sonnenlicht, denn die Haut unter den Fußnägeln ist besonders hell. Er trägt eine hellbraune Leinenhose und dazu ein weißes Hemd.  Ich bin überrascht, dass beide Gestalten wie frisch geduscht wirken und keineswegs verschwitzt vom Fußmarsch durch die Savanne sind. Seine Kleidung wird von einem warmen Windhauch bewegt, der sehr angenehm ist. Im Gesicht erkenne ich einen kurzen, gepflegten Bart und eine Brille. Intelligenz, Bildung und Wärme teilen sich mir mit. Mir wird deutlich, dass Dankbarkeit nicht nur eine Sache des Herzens ist. Man muss auch über die Dinge reflektieren, um ihren Wert erkennen zu können und man muss genau hinschauen, d.h. den Dingen auf den Grund gehen, um ihren Wert zu erkennen. Dafür trägt er die Brille. Beim Händedruck überkommt mich ein angenehmer Schauer. Seine zarten Hände vermitteln Feinsinnigkeit und differenzierte Wahrnehmung. Mich fasziniert sein Feingefühl. Mir wird nun deutlich, warum beide Gestalten so schön sind. Ihre äußere Schönheit reflektiert ihre Fähigkeit wieder, das Schöne in der Welt erkennen zu können. Das Erkennen des Schönen und Guten macht die Anwesenheit der Dankbaren so angenehm. Dankbarkeit macht schön und gibt eine gute Ausstrahlung.

Die Quelle der Dankbarkeit

Als ich die Dankbaren bitte, mich zur Quelle der Dankbarkeit zu führen, nimmt die Frau das Kind auf den Arm und wir gehen an den Fuß eines Felsens, von dem ein kräftiger Wasserstrom herunter plätschert. Das Wasser fängt sich in einem Becken und verteilt sich von dort, einem Bewässerungssystem gleichend, über viele kleine Arme auf den umliegenden Wiesen und Feldern. Alles sieht gesund, saftig und grün aus. Ein Gefühl der Ordnung und Zufriedenheit überkommt mich. Ich schaue mir den Felsen von oben an. Hier sprudelt Wasser aus dem Untergrund in ein kleineres Becken hinein, bevor es den Fels herunter fließt. Eine große Gewissheit geht von dieser Quelle aus. Das Wasser kommt ständig und beständig. Wir können uns darauf verlassen und müssen uns nicht weiter darum kümmern. Die Quelle der Dankbarkeit fließt ewig. Es gibt immer etwas, für das wir dankbar sein können.

Die Quelle der Dankbarkeit ist gleichzeitig auch die Quelle der Schöpfung. Wir können immer wieder für das täglich neu Erschaffene dankbar sein. Ich bemerke, dass das Klima hier anders ist, als in der Savanne. Eine angenehme Frische teilt sich mit. Gleichzeitig scheint die Sonne sehr hell und intensiv. Sonne und Wasser bilden die Grundlage für unser Leben. Durch sie kann alles wachsen und gedeihen. Mir wird deutlich, dass wir uns an allem Erschaffenen erfreuen können. Wie könnte es auch anders sein, so ist es in uns angelegt. Wir mögen blauen Himmel, die Weite des Meeres, grüne Wiesen, Bäume, Pflanzen, Insekten, Tiere, Babys, alles. Wir stehen vor der Quelle der Dankbarkeit, die niemals enden wird, weil die Schöpfung niemals endet, der Neubeginn im Kreislauf zwischen Werden und Vergehen.

Nie war mir der Zusammenhang zwischen Werden und Vergehen deutlicher, als in diesem Augenblick. Immerwährende Schöpfung, also Neubeginn, kann es nur geben, wenn gleichzeitig auch etwas Vorhandenes wieder geht. Das Alte macht dem Neuen Platz. Ein unaufhaltsamer Kreislauf, die immerwährende Quelle für unsere Dankbarkeit.

Ein Gedanke zu „»Zur Quelle der Dankbarkeit«“

  1. Eine beeindruckende Darstellung der Dankbarkeit in der Imagination aber auch in der Gestaltung des Textes mit den schönen Fotos.
    Mir wird deutlich: Dankbarkeit beeinflusst das Umfeld in positiver Weise durch ihr grundsätzliches ‚Ja‘ zum Leben; sie ‚bewässert‘ es und macht es fruchtbar.

    Auch für Unangenehmes dankbar zu sein – in der Form, dass ich es erst einmal akzeptiere; ich mich ihm zuwende und mich nicht von ihm abwende – gehört zur Lebensbejahung dazu. Das bedeutet, dass ich in diesem Fall etwas über mich selbst erfahren kann, z. B. wie ich mit dieser Situation umgehe, welche Gefühle sie in mir hervorruft und womit diese zu tun haben könnten. Und somit bekomme ich die Chance, mich weiterzuentwickeln und mich möglicherweise von lebenshinderlichen Mustern zu befreien. Sollte ich dafür nicht dankbar sein?

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