»Zur Quelle der inneren Lebenskraft«

Ein besonderes Telefonat

Meine Geschichte der Wertimagination begann im Januar 2007, als ich eine Freundin anrief, um mit ihr über meine Suche nach einem neuen Betätigungsfeld im therapeutischen Bereich zu sprechen. Von ihr wusste ich, dass sie sich in der „Therapie-Szene“ gut auskannte, denn sie selbst war Verhaltenstherapeutin. Erweiternd zu meinem Vorhaben, in der Hamburger Hauptkirche St. Petri den Kursus »Hilfreich miteinander sprechen: Gesprächsführung nach Carl Rogers« zu belegen, erwähnte Sie die Logotherapie Viktor Frankls als etwas, das mir liegen könnte und das über die Personzentrierte Gesprächsführung nach Carl Rogers hinausgehen würde. Sie nannte mir auch Dr. Stephan Peeck als Vertreter dieser Richtung in Hamburg-Bergedorf.

Dieses Telefonat habe ich bis heute nicht vergessen, denn daraufhin realisierte ich in wenigen Tagen, was mir bis dahin nur wage durch den Kopf gegangen war. Ich meldete mich in der Petri-Kirche an und ich nahm Kontakt zu Stephan Peeck auf. Es ging alles rasend schnell. Obwohl ich schon zu spät für eine Anmeldung in der Petri-Kirche war, bekam ich noch einen Platz in einer der bereits eingeteilten Gruppen, so dass ich die Ausbildung am 24. Januar 2007 beginnen konnte. Und obwohl ein VHS-Seminar von Stephan Peeck mit dem Titel seines gleichnamigen Buches »Woher kommt die Kraft zur Veränderung?« schon ausgebucht war, konnte ich daran auch teilnehmen. So lernte ich ihn, die Logotherapie und die Wertimagination bereits eine Wochen später am 2. und 3. Februar 2007 kennen. Weil alles so reibungslos klappte, kam es mir so vor, als sei alles schon vorbereitet gewesen. Ich konnte ja nicht ahnen, dass gleich die erste Imagination in diesem Seminar zu einem Schlüsselerlebnis für mich werden würde und dass damit die Weichen für eine Berufslaufbahn gestellt waren, die meine alte Tätigkeit ablösen sollte.

Woher kommt die Kraft zur Veränderung?

Das VHS-Seminar umfasste eine dreistündige theoretische Einführung in die Logotherapie und eine eintägige praktische Einführung in die Wertimagination. Von letzterem will ich hier berichten. Nachdem wir in das Thema und den Ablauf der Wertimagination eingewiesen waren, „wanderte“ jeder für sich für ca. 20 Minuten in seine inneren Welt. Anschließend machten wir uns Notizen und erzählten einander unsere sehr unterschiedlichen Erlebnisse. – Konkret: Wir sollten zunächst die Hände in die von uns gefühlte Körpermitte legen, die Augen schließen und zur Ruhe kommen. Dann ein Bild von einem Strand kommen lassen, unseren Namen in die Handinnenseite und in den Sand schreiben. Danach sollten wir uns auf unseren »Inneren Hund« als Begleiter und Spürnase ausrichten, ihn kommen lassen und uns mit ihm in aller Ruhe vertraut machen. Anschließend unser »Starkes inneres Ich« als Person rufen und auch mit ihm Kontakt aufnehmen – wahrnehmen wie die Gestalt aussieht, was sie ausstrahlt und was sie in uns auslöst. Schließlich – wenn wir dann noch wollten – sollten wir die Wertgestalt bitten, dass sie uns an »Die Quelle der inneren Lebenskraft« führen möge.


Der Einstieg in die Wertimagination

Ich schrieb zunächst meinen Namen in die Innenfläche meiner Hand und tat mich dabei schwer, denn ich versuchte von Außen auf mir zu schreiben und musste dazu meine Hand verdrehen. Das Schreiben in den Sand ging sehr viel leichter. Da konnte ich von mir weg schreiben. Während ich das tat, tauchte das Meer im Hintergrund auf. Ich war nicht weit davon entfernt. Das Meer war ruhig, einige Wolken am Himmel verdeckten gerade die Sonne.

Mein »innerer Hund« kommt

Dann ließ ich den »Inneren Hund« kommen. Er lief aus dem Wasser auf mich zu. Es war ein mittelgroßer Hund, sein Fell war etwas gelockt und auffallend dunkelbraun. Es war ein freundlicher Hund. Seine ganze Aufmerksamkeit war auf mich gerichtet. Es erfreute mich so sehr, dass ich mir eine Weile Zeit nahm, ihm meine Aufmerksamkeit zu schenken und ihn zu streicheln. Bei dem Gedanken, mein »Starkes inneres Ich« zu rufen, wurde ich leicht nervös. Es erschien zunächst eine dunkle Gestalt in einer Kutte, die Kapuze war aufgesetzt, so dass ich sein Gesicht nicht erkennen konnte. Ich war froh, dass Dr. Peeck vorher diesen Fall angesprochen hatte. So konnte ich tief einatmen, meine Arme verschränken, mich umdrehen und noch einmal neu mein »Starkes inneres Ich« bitten zu kommen.

Mein »Starkes inneres Ich« kommt

Und tatsächlich, jetzt kam ein heller freundlicher junger Mann mit positiver Ausstrahlung auf mich zu. Er sah aus, wie der junge Brad Pitt, auf einem Foto, das ich kannte. Jung, dynamisch, freundlich strahlend, aufgeschlossen und ein wenig forsch, nahm ich ihn wahr. Ich war nervös. Der innere Film kam ins stocken, als ich daran dachte, ihm zur Verdichtung des Kontakts die Hand zu reichen. Es ging nicht. Ich verharrte eine Weile, dann übernahm mein Gegenüber die Initiative und gab mir ein Zeichen, ihm zu meiner »inneren Lebensquelle« zu folgen.

Zur »Inneren Lebensquelle«

Sie war nicht weit entfernt. Es war ein lauschiger Platz in einer Mulde der Düne. Rings herum waren Gräser, die den Sand befestigten, so wie ich es von Sylt kenne. Er setzte sich hin und ich setzte mich neben ihn. Jetzt konnte ich den Kontakt zu ihm aufnehmen. Es war wunderschön. Ich war sehr ergriffen und hatte mit meinen Tränen zu kämpfen, die nicht die ganze Gruppe sehen sollte. So etwas war mir bisher noch nicht passiert. Ich ließ das Bild so stehen und kam langsam wieder in den Seminarraum zurück.


Nachgedanken

Schon mein Empfinden gegenüber dem »Inneren Hund« war stark, doch die Begegnung mit der positiven Kraft des »Starken inneren Ichs« hatte mich geradezu überwältigt. Ich war an meine Kindheit und Jugend erinnert. Schon als kleiner Junge wünschte ich mir einen Hund als „Verbündeten“. Später als Jugendlicher träumte ich von einer engen und vertrauensvollen Freundschaft, so wie ich sie in der Geschichte von Tom Sawyer und Huckleberry Finn finden konnte. Doch weder die Sehnsucht des kleinen Jungen noch die des Jugendlichen konnten durch die äußere Realität gestillt werden. So hatte ich mich im Laufe der Jahre daran gewöhnt, dass es zu mir gehört, wenn ich immer wieder von einem Ideal träumte, dass mir die reale Welt nicht geben kann. Ganz unerwartet bekam ich durch die Imagination eine ganz andere Antwort auf meine Frage, was die Quelle der Sehnsucht speist, als ich imaginativ genau die Nähe erlebe, nach der ich so lange gesucht hatte. Und es fiel mir wie Schuppen von den Augen, als ich merkte, dass der Ursprung der scheinbar unstillbaren Sehnsucht nicht in einem äußeren Mangel begründet liegt, sondern in einem inneren Mangel, der fehlenden Nähe zu mir selbst.

Die nächsten Tage war ich sehr aufgewühlt. Mit der Deutung und Bedeutung der inneren Bilder noch wenig vertraut, war ich unsicher, ob sie lediglich ein Wunschdenken visualisierten oder eine innere Wirklichkeit zeigten. Hatte die scheinbar unstillbare Sehnsucht in mir tatsächlich etwas mit der fehlende Nähe zu mir selbst zu tun? Dass die innere Sehnsucht trotz real gelebter Beziehungen nicht schwieg, sprach eher für die zweite Variante. – Kurze Zeit später suchte ich Stefan Peeck auf, um ausführlich über diese Imagination zu sprechen und ich verabredete weitere Termine, um mich auf den Weg zu mir selbst zu machen. – Die vertiefte Auseinandersetzung mit mir und den inneren Bildern führte schließlich dazu, dass ich im Mai 2008 die 3½-jährige Ausbildung in »Existenzanalytischer Logotherapie« bei Stephan Peeck begann.

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